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Unsere bescheidene Selektion – das Beste der aktuellen Musik- und Kunstszene, nah und fern

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Freitag, 20. Mai 2022 - Durchreisende zu Gast in der Chaoszentrale

Freitag, 20. Mai 2022. In der Welt geschieht auch an diesem Tag das, wie es scheint alltäglich Übliche: Die Schweizer Industrie vermeldet Quartalsgewinne, die Temperaturen steigen auf 33 Grad, irgendwelche Armeen müssen irgendwo Rückschläge einstecken, Tornados fegen über Europa hinweg, Holiday Parks werden ausgebaut, das Fernweh lässt die Menschen die teuersten Flugtickets kaufen, und so weiter und so fort.

Chaoszentrale Hinwil, Kulturtreffpunkt - Szenerie mit Publikum vor dem Lokal bei Nacht

Kunstraum und Treffpunkt - Chaoszentrale - Echo Kollektiv

Aber in einem nicht erwähnenswerten Kaff ausserhalb von Zürich, geschieht genauso im kleinen stillen Kreis das Unübliche: Da treffen sich eine handvoll kulturinteressierte Menschen, in einem dafür mit viel Geschick und Liebe eingerichteten Lokal, und verbringen dort gemeinsam einen Abend, sitzen zusammen, tauschen sich aus, hören sich die Lieder und Gedichte von zwei eingeladenen Künstlern an.

In der Chaoszentrale in Hinwil trafen an diesem frühhochsommerlichen 20. Mai 2022 Mundart-Liedermacher Walter Lietha und sein Sohn Lyriker Laurindo Lietha auf ein zahlreiches, und dem Kunstschaffen dieser Beiden freundschaftlich verbundenes und zugeneigtes Publikum.

Paul Weixler, Dide Marfurt, Walter Lietha - Kultur - Treffpunkt Chaoszentrale

Auch einige Gefährten aus rebellischen Zeiten von Walter Lietha waren unter den Gästen, wie zb. der noch immer sehr umtriebige Landstreichermusikant Dide Marfurt (Doppelbock) und Paul Weixler (Zürcher Rebell & Mundart Urgestein). Im Kreis dieser engagierten Zeitgenossen entfalteten sich interessante Gespräche über all das was die Welt gerade bewegt oder eben auch gerade erstarren lässt.

Mit dem Zusammentreffen von zwei Generationen Lied- und Textschaffenden, waren die ins Spiel gebrachten Sichtweisen sehr reich an Perspektiven, und fanden besonders durch den Lyriker Laurindo Lietha eine junge überzeugend kraftvolle Stimme. Laurindo hat, ich glaube noch während der nächtlichen Heimfahrt, die Stimmung und einige Sequenzen der Unterhaltungen dieses Nachmittags und Abends in ein Gedicht einfliessen lassen. »Daedeleus in Hinwil«, so der Titel des Gedichts, das er uns zusandte und uns erlaubte, dieses hier bei Echo Kollektiv News zu publizieren.

Mundartliedermacher Walter Lietha - Konzert Chaoszentrale

Kultur-Veranstaltungen solcher Art, in kleinem Kreis, in beinahe familiären Rahmen, sind selten, darum sind sie Gold wert, und darum möchte ich hier wieder einmal den Gastgebern der Chaoszentrale, und im speziellen unserem Chaosdirektor, für sein initiatives Engagement für die Kultur ein Lebehoch & Dankeschön ausgerufen haben.

Mein Eindruck von Walter Lietha, dem ich übrigens zum ersten Mal begegnet bin, ist der, dass mir schien, er sei einer der dem Lärmigen schon immer aus dem Weg gegangen ist, seine Spuren dort zieht wo es ihm behagt, lieber leise und unscheinbar, eben als eine »Durchreisender«, wie er sich einmal dementsprechend in einem Interview geäussert hat. Auch seine Lieder sind filigran, die ein wenig teils an spanischen Flamenco erinnernde Spielart, die er auf seinen Gitarren vorzüglich beherrscht und pflegt, wie auch seine Liedtexte, die eben auch einen feinsinnigen, ja zärtlichen Erzählton anschlagen.

Einmal mehr blättere ich in Laurindo Lietha's gedruckten Lyriksammlung »Das brennende Kind«, blättere etwas unschlüssig hin und her, lese mal dort mal da, bin dabei immer ein wenig verstört, suche weiter, frage mich, nach was ich denn suche, suche einen Anhaltspunkt, eine Brücke von der Empfindsamkeit des Verfassers, rüber zu meiner.

Lyriker Laurindo Lietha - Lesung Chaoszentrale

Einen solchen Einstieg zu finden fällt mir nicht ganz leicht, Laurindo Lietha's Werk, das muss man schon sagen ist stark, ist in sich geschlossen, ist ein Ganzes, ist Bündner Granit. Da türmen sich steil und mit Gewalt drohende Wortmassive auf, solche, die mich als Flachländer doch zugegebenermassen immer wieder zutiefst erschrecken.

Für diese, von Laurindo in seinem Debutwerk »Das brennende Kind« mir bereiteten Schrecknisse, und die in mir erreichte Irritation, möchte ich mich aber beim Autoren recht herzlich bedanken, denn dieses Schauern weckt mich jedesmal, wenn ich einen Blick in dieses Büchlein wage, in eine dieser kurzen Nüchternheiten, die ein nächstes Seinsrauscherlebnis eröffnen.

Während der Lesung, an diesem besagten Freitagabend des 20. Mai 2022, wirkten die vom Autor mit seiner vollen Stimme vorgetragenen Gedichte sehr kraftvoll, und die vielfach aufgerufenen Natur- und Geisteskräften tanzten so überzeugend als auch die Lebensgeister weckend in der Chaoszentrale ihre Reigen. Text: D.T.Koller für Echo Kollektiv News / Fotografie: Vitaltransformer

Service Public: Walter Lietha: SRF - Focus von Hannes Hug: »Walter Lietha, Musiker: «Ich bin nur auf der Durchreise» // Narrenschiff, das Buch-Antiquariat von Joël Schnellmann und Walter Lietha // Laurindo Lietha Lyrik: »LAURINDO LIETHA - DAEDALUS IN HINWIL« - Lyriksammlung »Das brennende Kind« bie Calvin Verlag, Trin 2020 - ISBN 978-3-905261-00-4 - Auflage 120, handnummeriert // Dide Marfurt: »Hereinspaziert in meine Welt« (Homepage) // Paul Weixler: Beiträge bei Vitaltransformer